
HENRIKE JUNKER
Beziehungsfalle: Schweigen statt Reden
tWichtige Gedanken und Gefühle über den Partner und die Beziehung werden nicht offengelegt. Ein typisches Beispiel dafür ist, dass Ärger über den Partner oder die Partnerin zurückgehalten wird. Anfangs mögen es Kleinigkeiten sein, die als „nicht der Rede wert“ erscheinen, doch im Laufe der Zeit können sich diese Themen zu einem wachsenden Frust aufstauen. Manchmal entlädt sich die angesammelte Frustration dann in einem plötzlichen und heftigen Ausbruch. Der Partner versteht oft nicht die Intensität dieser Reaktion. „Immer machst du…“, „Nie machst du…“, sind typische Verallgemeinerungen, die bei dem anderen eine Verteidigung oder Abwehr statt Verständnis auslösen. Die Auseinandersetzung dreht sich nicht mehr wirklich um das ursprüngliche Problem, sondern es schwingen alte, unausgesprochene Themen mit. Ist dir diese Art von Streit bekannt?
Warum halten wir unsere Wahrheit über den anderen zurück?
Erlerntes Verhalten
Kleine Kinder sind noch erfrischend ehrlich. Schon früh lernen wir, dass Ehrlichkeit nicht immer willkommen ist. Wir dürfen beispielsweise der Tante nicht sagen, dass ihr Atem unangenehm riecht und wir deshalb keinen Kuss wollen. Auch später in der Schule sind offene Äußerungen nicht immer erwünscht. Aus Angst vor Konsequenzen unterdrücken wir unsere Wahrheiten, bleiben lieber still und passen uns an.
Angst vor Konflikten
Es besteht die Angst, dass das Aussprechen von negativen Gedanken und Gefühlen zu Streit oder Spannungen führt und die Beziehung gefährden könnte. Doch das Verheimlichen und Ansammeln von unangenehmen Wahrheiten drückt langfristig auf die Stimmung. Außerdem bleibt die Beziehung oberflächlich und auf Distanz, wenn Konflikte vermieden werden.
Angst, den anderen zu verletzten
Die Befürchtung, den Partner zu verletzen, führt oft dazu, dass Kritik zurückgehalten wird. Doch so erhält der Partner keine Chance, etwas zu ändern. Auch die Beziehung kann sich nicht weiterentwickeln.
Wunsch nach Harmonie
Manche Menschen halten ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle zurück, um die Harmonie in der Beziehung zu bewahren. Wenn die eigenen Bedürfnisse unterdrückt werden, sinkt nicht nur das Selbstwertgefühl, sondern die Person „verschwindet“ regelrecht aus der Beziehung. Distanz und Langeweile können die Folge sein.
FAZIT: Zurückgehaltene Botschaften können einer Beziehung schaden. Ein Mangel an direkter und ehrlicher Kommunikation kann zur Entfremdung führen. Oft entsteht das Gefühl, der andere sieht einen nicht mehr. Die Partner fühlen sich nicht mehr verbunden und entfernen sich dadurch noch mehr voneinander. Und das fühlt sich nicht mehr nach Liebe an.
Was kann helfen, damit Paare in der Beziehung nichts Wichtiges mehr zurückhalten?
In festgefahrenen Beziehungen ist es äußerst hilfreich, zunächst den angestauten Frust auszusprechen. Wenn beide Partner lernen, nach und nach ihre Wahrheiten nicht mehr zurückzuhalten, sondern möglichst direkt und einfühlsam – von Herz zu Herz – zu kommunizieren, werden sich viele Beziehungsprobleme lösen. Das Vertrauen in den Partner und in die Beziehung steigt wieder und auch Nähe und Intimität können wieder wachsen. Dieser Weg der radikalen Ehrlichkeit erfordert anfangs etwas Mut und Übung, aber er ist für die Liebe unumgänglich. In meinen Beziehungscoachings liegt hier oft der Fokus: Zunächst fühlen und verstehen, was wirklich bei sich selber und dem anderen los ist und dann eine ehrliche Kommunikation mit möglichst offenem Herzen entwickeln.